Meinungsfreiheit oder Volksverhetzung?

in Politik/Schlagzeilen

Der Artikel 5 des Grundgesetzes besagt, dass jeder das Recht hat, seine Meinung in Wort und Schrift frei zu äußern und zu verbreiten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fernsehen werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. Soweit die rechtliche Grundlage doch wie sieht es in der Praxis aus?

Besorgniserregend. Bisher stand das Recht des Einzelnen im Vordergrund etwas sagen zu dürfen. Der Artikel schützt die Meinungsfreiheit. Auch wissentlich falsche Äußerungen sind dadurch gedeckt. Niemand muss der Überzeugung des Redners sein und es bleibt nicht aus das diese durch Hörer beleidigend oder anstößig wahrgenommen werden. Ob Sie vehement die Ansicht vertreten, dass die Erde eine Scheibe ist oder wer der letzte legitime Prophet auf Erden war sollte der Artikel 5 rechtlich abdecken doch mittlerweile wird das (neue) Recht des Hörers, etwas unliebsames nicht wahrnehmen zu müssen, höher eingeschätzt wie das Recht des Sprechers. Was verstanden wird und wie Gesagtes von Einzelnen oder Gruppen empfunden wird, steht im Mittelpunkt des neuen Rechts.

Somit verschiebt es sich vom objektiv Gesagtem hin zum subjektiv Verstandenen. Dieses widerspricht den grundlegenden Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit. Doch genau diese Entwicklung ist weltweit in den Medien und der Gesetzgebung zu beobachten. Oftmals geht es um die Anliegen von Muslimen oder die Rechte von Homosexuellen.

Natürlich unterliegt das Recht der Meinungsäußerung gesetzlichen Einschränkungen. Eine anarchische absolute Freiheit ist kaum wünschenswert. Aufrufe zur Gewalt, Verleumdung oder auch übler Nachrede sind nicht durch den Artikel 5 des Grundgesetzes gedeckt sondern stellen vielmehr einen Straftatbestand laut Paragraph 130 des StGB (Volksverhetzung) dar.

 Doch wo genau beginnt die Volksverhetzung und endet das Recht der Meinungsfreiheit? Dieses ist teilweise heftig umstritten. Das Bundesverfassungsgericht entschied am 13.04.2004, dass die Holocaustleugnung nicht unter das Grundrecht des Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes falle da es sich um eine „unwahre Tatsachenbehauptung“  handele. Natürlich ist der schreckliche Holocaust unumstritten und es unsäglich grausam was dem jüdischen Volk angetan wurde. Darin besteht kein Zweifel. Doch das Urteil ist aus mehrerlei Gründen umstritten. Erstens weil es sich um eine bestimmte Tatsachenbehauptung handelt. Andererseits wird nach ständiger Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts auch der Schutzbereich des völligen Unsinns (der Rede) und ehrverletzende Äußerung erfasst. Doch genau dieses wird bei der Holocaustleugnung explizit ausgeschlossen und widerspricht der Auffassung, dass der Artikel 5 des Grundgesetzes auch unwahre Tatsachenbehauptungen schützt. Die Holocaustleugnung war nicht erst seit 1994 strafbar. Vorher beriefen sich Richter in ihrer Urteilsbegründung auf den §185 StGB (Beleidigung).

Welchen Einfluss die Politik auf die Meinungsfreiheit hat, zeigt sich im Fall Facebook. Die koalierende CDU/CSU und SPD Regierung forderte das Unternehmen auf, Hasskommentare von Benutzern ihrer Webseite zu löschen. Laut Facebook solle nunmehr das Bertelsmann Unternehmen „Arvato“ dafür Sorge tragen, dass binnen 24 Stunden fremdenfeindliche Meinungsäußerungen und Bilder von den Seiten verschwinden.  Unklar blieb jedoch wer diese Mitarbeiter sind. Können diese juristisch zwischen freier Meinungsäußerung und strafrechtlich relevanten Texten unterscheiden? Letztlich bleibt abzuwarten inwieweit Facebook überparteilich handelt oder sich dem politischem Einfluss unterwirft. Interessant ist die vom Unternehmen gegründete „Initiative für Zivilcourage Online“ welche von anti-rassistischen Organisationen und dem Justizministerium unterstützt wird. Kann bei einer Positionierung von Facebook die gebotenen Neutralität erhalten bleiben?

Erfüllt eine politische Aussage bereits den Tatbestand eines Hasskommentars? Ahndet Facebook auch Einträge linkspolitischer Hasskommentare? All dieses blieb unbeantwortet.

2015 sprach sich der populäre Schauspieler Til Schweiger in einer Talk Runde bei Maischberger dafür aus, dass Demonstranten vor dem Flüchtlingsheim Freital von Hundertschaften der Polizei einfach einkassiert und für eine Nacht in den Knast gesteckt werden sollten. Ein gegen ihn eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung wurde nach nur vier Tagen von der Staatsanwaltschaft Köln eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt war die Pro-Asyl Politik der großen Koalition noch mehrheitlich opportun in der Bevölkerung. Hier stellt sich die Frage wie weit sich die Justiz dem politischen Prisma beugt.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder (2) die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Herr Schweiger forderte ohne Rechtsgrundlage die Polizei dazu auf, bzw. stachelte diese an, Demonstranten festzunehmen und einzusperren. Weil sie anders denken wie der Schauspieler. Genau dieses besagt der Paragraph 130 des StGB. Niemand darf wegen seiner Zugehörigkeit diskriminiert werden.

Im umgekehrten Fall rief kürzlich die umstrittene AFD Vorsitzende Frauke Petry in einem Interview dazu auf, dass die Polizei von der Schusswaffe Gebrauch machen sollte um die deutsche Grenze vor illegalen Einwanderern zu schützen. Zwischenzeitlich läuft gegen sie eine Anzeige wegen Volksverhetzung. Tatsächlich aber regelt der §11 des UzwG und §9 Abs. 1,2,7 und 8 dass dieser tatsächlich unter bestimmten Bedingungen für Vollzugsbeamte im Grenzdienst zulässig ist. Somit wäre es eine zulässige Äußerung welche sehr wohl vom Artikel 5 des Grundgesetzes im Sinne der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Und doch wird es in diesem Falle kaum zu erwarten sein, dass die Ermittlungen nach nur wenigen Tagen (wie im Fall Schweiger) enden.

Im Gegenteil. Das Justizministerium als direkter Vorgesetzter der Staatsanwaltschaften bestimmt die Vorgehensweise indirekt mit. Bei der derzeitigen politischen Lage wird es spannend zu beobachten sein ob es ein ambitionierter Staatsanwalt wagt gegen die Regierungsinteressen ein Verfahren einzustellen.

Das Gesinnungstrafrecht nimmt neue unsägliche Züge an. Eine orwellsche Überwachungsmentalität höhlt die Meinungsfreiheit aus und kommt einer schleichenden Zensur gleich.

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2 Comments

  1. Liebes Exil-Presse-Team,
    zu einer ausgewogenen und wahrheitssuchenden Berichterstattung gehört auch das Bemühen, die Wörter und Begriffe der Sprache hinreichend exakt und im Sinne ihrer ursprünglichen und eigentlichen Bedeutung zu verwenden und nicht intentional geprägt oder intentionale Prägung ungefragt und unkritisch übernehmend.

    Dies geschieht allerdings, wenn Sie den Begriff „Anarchie“ bzw. dessen verschiedene Formen wie folgt diskreditierend verwenden: „Eine anarchische absolute Freiheit ist kaum wünschenswert. Aufrufe zur Gewalt, Verleumdung oder auch übler Nachrede sind nicht durch den Artikel 5 des Grundgesetzes gedeckt sondern stellen vielmehr einen Straftatbestand laut Paragraph 130 des StGB (Volksverhetzung) dar.“

    Die ursprüngliche Idee der Anarchie ist mitnichten mit Gewalt, Verleumdung, übler Nachrede, Straftatbeständen und Volksverhetzung sowie auch nicht mit Chaos, Auruhr etc. in Verbindung zu bringen.
    Kurz und bündig bedeutet An-Archie eben gerade nicht Unordnung, sondern Ordnung ohne Unterordnung. Dass dies den Herrschenden seit Beginn dieser Idee nicht in den Kram gepasst hat und sie deshalb diese Gesellschaftsutopie auf wirksamste diskreditieren mussten, ist unschwer nachzuvollziehen. Mit der obig zitierten Passage allerdings begeben sie sich genau in dieses diskreditierende Fahrwasser der Herrschenden, entspricht doch eigentlich aber so gar nicht dem Duktus der sonstigen Aussagen Ihrer Darstellungen.
    Im Übrigen ist die Grundidee des Anarchismus, das freie sich selbst steuernde Ich, schon 2000 Jahre alt und der Begründer hieß Jesus Christus, dessen eigentliche Botschaft spätestens mit dem Zeitpunkt der Erhebung des Christentums zur römischen Staatsreligion und in der Folge durch die Institution der Kirche zunichte gemacht wurde. Diesen Zusammenhang können sie u.a. auch bei Leo Tolstoi und Ignaz Paul Vital Troxler nachlesen.
    Ich bitte Sie daher in Zukunft nicht den Kräften auf dem Leim zu gehen, die sie selbst berechtigter Weise kritisieren und hinterfragen.

    Herzlichen Dank,
    Tacheles

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